Teil 1: Ein traumasensibler Blick auf kindliches Verhalten – warum auch Erwachsene hinsehen dürfen
- Nicole Benning

- 20. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Aug.
Wenn Kinder nicht zuhören, plötzlich laut werden oder sich komplett verweigern, ist der Impuls oft: Konsequenz! Struktur! Strafe! Doch aus Sicht einer traumasensiblen Pädagogik braucht es einen anderen, tiefergehenden Blick. Denn viele kindliche Reaktionen – Wut, Erstarrung oder Rückzug – sind keine „Erziehungsprobleme“, sondern Schutzmechanismen des Nervensystems.
In belastenden Momenten schaltet unser Körper in den Überlebensmodus: Kampf, Flucht oder Erstarrung. Bei Kindern zeigt sich das vielleicht so: sie schreien, rennen davon, schlagen Türen zu – oder wirken wie innerlich abwesend. Was von außen wie Trotz oder Verweigerung aussieht, ist innen oft pure Überforderung.
Ein traumasensibler Blick bedeutet: Wir sehen nicht nur das Verhalten, sondern die Not dahinter. Wir verstehen, dass Kinder nicht absichtlich „schwierig“ sind, sondern manchmal einfach keine andere Strategie mehr zur Verfügung haben. Was sie dann am meisten brauchen, ist kein erhöhter Druck – sondern Sicherheit, Zugewandtheit und emotionale Präsenz.
Dabei gilt: Es geht nie nur um das Kind. Jedes Verhalten entfaltet sich in einem Beziehungssystem – zwischen Kind und Eltern, zwischen Kind und Pädagogin, und auch zwischen Eltern und Fachkräften. Gefühle, Spannungen und unausgesprochene Erfahrungen spiegeln und übertragen sich häufig. Wenn Erwachsene selbst gestresst, verunsichert oder innerlich angespannt sind, spürt das auch das Kind. Nicht selten reagieren wir dann nicht auf das Kind im Hier und Jetzt – sondern auf eigene alte, unbewusste Verletzungen.
Deshalb ist es so hilfreich, wenn auch Erwachsene sich mit ihren eigenen emotionalen Mustern auseinandersetzen dürfen. Die Aufarbeitung eigener Prägungen, alter Verletzungen oder belastender Erfahrungen verändert spürbar die innere Haltung – und damit auch die Beziehung zum Kind.
Hier kann EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) ein wertvolles Werkzeug sein. Bei Eltern oder Fachkräften führt EMDR oft zu einer deutlichen Entlastung und mehr innerer Ruhe – was sich positiv auf das gesamte System überträgt. Auch Kinder können mit EMDR sanft dabei unterstützt werden, überfordernde Eindrücke oder Erfahrungen zu verarbeiten.
Wenn Erwachsene den Mut haben, bei sich selbst zu beginnen, entsteht eine neue Qualität von Beziehung: getragen von Verständnis, Klarheit und echter Begegnung – ein sicherer Raum, in dem Kinder sich entwickeln dürfen.
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